Der Eurasische Luchs
von Volker Zimmermann


30 Kapitel auf 312 Seiten,
417 Farbfotos, 75 Tabellen,
73 Grafiken/Diagramme.

Eigenverlag Volker A. E. Zimmermann; Schweden. ISBN 978-91-531-1278-5

 


Buchbesprechung von Dr. Wolfgang Scherzinger 

Rund 100 Jahre nach seiner Ausrottung in den großen Waldgebieten Mitteleuropas ist der Luchs (Lynx lynx) aktuell in den Fokus des allgemeinen Interesses gerückt, sei es im Zusammenhang mit Nachzucht- und Wiederansiedlungsprojekten, sei es aus Sorge vor unerwünschter Konkurrenz im Jagdrevier. Dabei bleiben fundamentale Fragen zu Lebensweise, Jagdstrategie, Jugendentwicklung und Sozialverhalten sowie zu Raumbedarf und Mindestgrößen lokaler Vorkommen meist offen, nicht zuletzt zur taxonomischen Eignung von Individuen aus den Reliktvorkommen zwischen Balkan, Skandinavien und Sibirien.

Mit dem Buch über den „Eurasischen Luchs“ stellt Volker Zimmermann tiefgreifende Ergebnisse seiner langjährigen Studien an dieser charismatischen Kleinkatze vor. In ihrer thematischen Breite und detailreichen Interpretation stellen diese Erkenntnisse eine unverzichtbare Basis für das Verständnis der etho-ökologischen Nische des Luchses dar – als waldbewohnender Beutegreifer vorwiegend nördlicher Breiten – und nicht zuletzt für wissenschaftlich begleitete Artenschutzmaßnahmen.

Aus der Gegenüberstellung von Körpermaßen und -Gewichten, der Fellzeichnung und den regional unterschiedlichen Lebensraumbedingungen definierter Unterarten und Ökotypen in Eurasien erkennt der Autor den Typ des „Karpaten-Luchs´“ als bestgeeignet für Ansiedlungsprojekte in Mittel- und Osteuropa. Damit verbunden sind gut begründete Kritiken an bisherigen Freisetzungen von Luchsen unbekannter, selbst asiatischer Herkunft in Deutschland. Im Hinblick auf jüngst initiierte Zuchtbemühungen zur Aufstockung verfügbarer Tiere bringt Zimmermann seine langjährigen Studien zu Entwicklung und Verhalten von Luchsen in menschlicher Obhut ein, speziell zu Fragen möglicher Prägung auf den menschlichen Pfleger, zur sozialen Beziehung zum Muttertier sowie der Familienauflösung, letztlich zu Reifung und Erlernen des arttypischen Beutefangverhaltens. Bemerkenswert hierbei neue Interpretationen zur Funktion der auffälligen Ohrpinsel und des arttypischen Stummelschwanz´.

Einen einzigartigen Schwerpunkt bildet in diesem Buch die detaillierte und hochpräzise Beschreibung des Skelettapparats von Luchsen, jeweils in engem Kontext zu Ökologie und Lebensweise dieser Katzenart, speziell dem Jagdverhalten - bis hin zum Tötungsbiss. Aus dem Vergleich von Luchsen als Ansitz- und Pirschjäger mit dem Wolf als Verfolgungsjäger wird z. B. das relativ kleine Herz, die hohe Sprungleistung, die außerordentliche Beweglichkeit der Wirbelsäule und der spezifische Beißdruck des Unterkiefers bei diesen Katzen deutlich. Die in Relation zu den Wölfen kurze Schnauze und die spezifische Zahnformel der Luchse erlauben einen „Luftröhren-Klemmbiss“ (z. B. bei Rehen oder jungen Hirschen) – in unmittelbarem Zusammenwirken der kräftigen, krallenbewehrten Vordertatzen. Die fein-deskriptiven Studien zur Osteologie der Skelettstruktur bieten eine wesentliche Voraussetzung für die Rekonstruktion jeweiliger Todesursachen.

Zu den angeführten Praxisbeispielen aus der Forensik verunglückter, getöteter bzw. gewilderter Luchse gibt es nichts Vergleichbares in der Literatur: Zimmermann demonstriert hier Analysemethoden, mit denen z. B. kriminelle Tötungen durch Strangulierung, Abschuss oder Fallenfang unwiderlegbar bestätigt werden können!

Mit dem „Eurasischen Luchs“ liegt ein wertvolles Grundlagenwerk zu Biologie, Ökologie und Anatomie des Luchses vor, das bei allen Artenschutz- und Wiederansiedlungsprojekten mit dieser Katzenart unbedingt herangezogen werden sollte.